umland

Ausstellungen
2010, Biennale LANDschafftKUNST III, Neuwerder/Havel
2011, fenster61, Berlin

Ins Umland fahren, ins Grüne, die Stadt hinter sich lassen, raus fahren in Natur und Ferne – das war für (West-) Berliner Stadtmenschen nicht nur der Sonntagsausflug, sondern auch der Kurzausflug, die längere Autotour, die durchaus manchmal bis zu den Alpen oder den Atlantik reichte, denn das tatsächliche Umland begann erst weit hinter den Stadtgrenzen. Aus der Stadt aufs Land, ins Land fahren, mit dem Auto die Landschaft in Geschwindigkeit auflösen und dann am Rand einer Landstraße, am See, zwischen Bauerngehöft und Heuwiese, am Halteplatz mit Aussicht auf, angehalten, pausiert, verweilt und Aussicht und Luft genossen – all dies in den Blickwinkel einer Fotokamera gesetzt – gibt die Auswahl von Diafotografien, die Susanne Wehr in der Serie Umland zusammengestellt hat, wider. Diese fotografisch festgehaltenen Momente zeigen dem Betrachter mindestens zweierlei: die Lust am Unterwegs-Sein der Reisenden und den Stolz auf ihr Auto, Vehikel des Möglichen, privates Objekt und Zeichen ihrer außergewöhnlichen Identitätsprägung.

Susanne Wehr bringt durch ihre Auswahl von Diapositiven aus Privatnachlässen diese Fernfahrersehnsucht der Berliner Städter, deren Vorliebe für Provisorien, den Stolz auf das In-der-Ferne-Sein und das Objekt dieser Möglichkeiten, das eigene Auto mit Stadtkennzeichen B auf den Punkt. Eine Frau posiert mit schwarzer Handtasche am Wagen, eine andere winkt dem Fotografen vor dem Einsteigen zu, ein Mann lehnt gegen Sonnenlicht blinzelnd an seiner Fahrertür, ein anderer legt seine Hand auf die Motorhaube, ein Paar lässt sich zusammen mit offener Fahrertür fotografieren – all diese in Szene gesetzten Gesten oder Reise-Choreografien zeigen das Auto als (Status-) Symbol für das Unterwegs-Sein-Können. Man könnte die Diapositive auch anhand der Hintergründe betrachten, die verschiedenen Landschaftsstriche, Orte und unterschiedlichen Idyllen herausfiltern, deuten oder interpretieren – ein Merkmal jedoch ist durchgängiges Indiz und Signifikant: das Kennzeichen B für Berlin. Das Fotografieren des Autokennzeichens ist das „Wir waren hier“ – Beweismittel für eine Authentizität, Schrifttext im Bild und gleichermaßen fotografischer Platzhalter für den postalischen „Schönen Gruß aus…“.

Dr. Birgit Szepanski

Plakatwand Biennale LANDschafftKUNST III, Neuwerder/Havel, 2010