re:cut | on photography in film

2017, Video 15 min

Ausstellungen:
2017 Haus am Kleistpark, Berlin
2018 Kunstverein Pforzheim
2019 Kunstverein Tiergarten, Berlin

Bei dem Kurzfilm re:cut – on photography in film handelt es sich um ein Video-Mashup, bei dem in einer akribischen Vorgehensweise neue Medieninhalte durch die nahtlose (Re-) Kombination bereits bestehender, angeeigneter Inhalte erzeugt werden. Der insgesamt 15-minütige Film ist eine filmische Collage, die aus einer Vielzahl kurzer Sequenzen aus 25 internationalen Spielfilmen besteht, die zwischen 1974 und 2011 entstanden sind. Alle ausgewählten Sequenzen, Ausschnitte oder O-Töne beziehen sich auf den Vorgang des Fotografierens, der Fotoentwicklung oder des Umgangs mit fotografischen Bildern. re:cut gleicht einem aus Schnipseln der Filmgeschichte zusammengesetzten Puzzle zum Thema Fotografie im Film und spürt dem zeitlosen Wesen der Fotografie, den komplexen Vorgängen des Fotografierens und den mannigfaltigen Intentionen im Umgang mit Fotografie nach.

Durch die Verwendung bereits vorhandener filmischer Sequenzen über Fotografie und ihrer Neuinszenierung und -interpretation durch einen „re:cut“, begibt sich das Video in eine Grauzone von Zitat, (Raub-) Kopie und Piraterie. Der Zusammenschnitt der besonders bedeutsamen Filmsequenzen nach einer herausgearbeiteten und auf die Filmausschnitte abgestimmten Choreografie erzeugt einen neuen künstlerischen Kontext. Das Video erzählt eine neue, eigene Geschichte, die einen vertiefenden Blick auf die Funktion von Fotografie und den individuellen, persönlichen und täglichen Umgang mit ihr ermöglicht.
In minutiöser, chronologischer Abfolge sind dem Video Ablauf und Vorgänge zugrunde gelegt, die entstehen, sobald eine Person einen Fotoapparat in die Hände bekommt: Von dem Moment des Filmeinlegens, dem Blick durch den Sucher, bis hin zur Sekunde des Auslösens und der anschließenden Filmentwicklung, Sichtung und Verwendung von Fotografien bis hin zur gezielten Bildmanipulation.

Das Video eröffnet dem Betrachter das gesamte Spektrum des Fotografierens und den Umgang mit fotografischen Bildern. Alle diese Vorgänge fließen durch vielschichtige Interpretationsmöglichkeiten, Subebenen und Subtexte zusammen. Thematisch reicht die Spannweite in den ausgewählten Filmsequenzen von der Suche nach Wahrheit oder Wahrhaftigkeit, der Absicht, einen bestimmten Augenblick festzuhalten, Erinnerungen zu konservieren, mit dem Blick durch den Sucher eine Distanz zum wirklichen Geschehen zu schaffen, etc.

Aufgrund der nahezu ständigen Verfügbarkeit von Kameras in Mobiltelefonen, produzieren, teilen und konsumieren wir permanent neue fotografische Bilder. Der Konsument wird durch diese Vorgänge gleichzeitig zum Produzenten, zum Prosumer. Der identitätsstiftende Vorgang dieses gesellschaftlich-kulturellen Umgangs mit Fotografie und fotografischen Bildern, wird in Form von Selbstdarstellungen und Selbstvergewisserungen nachvollziehbar veranschaulicht. Die „Selfies“ tragen einerseits zur Identitätsfindung bei und bergen andererseits zugleich die Gefahr eines Identitätsverlustes.

Dieser eher negative Beigeschmack der Fotografie, hervorgerufen durch ihre massenhafte Produktion und damit Unüberschaubarkeit, wirft vor allem die Frage auf, wie wir den heutigen Bildkonsum und die Realität unüberschaubarer Bilderberge für uns einordnen, bewerten und nutzen wollen und können. Das Video re:cut formuliert eine filmische, poetische Hommage an die Fotografie und erinnert an die ihr auch zugrundeliegenden philosophischen Aspekte des „Wesens der Fotografie“ (Roland Barthes: Die helle Kammer).

Manuela Lintl

Ausstellungsansichten

Kunstverein Pforzheim
Kunstverein Tiergarten, Berlin
Haus am Kleistpark, Berlin

Ausschnitt aus dem Video re:cut